Das Reboot oder auch Neuauflage genannt, ist eine immer wieder unter Fans umstrittene Angelegenheit. In der Videospielszene ist es da nicht anders wie im Filmbusiness. Viele betrachten das Original als unumstößliches Werk, welches nicht wiederholt werden darf und kann. Andere Betrachter sehen in einem Reboot eher die Möglichkeit, neue Betrachtungsweisen und technische, wie künstlerische Modernisierungen einzubringen. Egal wie man darüber denken mag, eine Neuauflage eines bereits bestehenden Werkes ist in gewissen Maße immer vorbelastet. Weicht man zu sehr vom Original ab, kann man auch gleich ein eigenes Franchise entwickeln. Orientiert man sich zu dicht am Original, wird einem Kreativitäts- und Ideenlosigkeit vorgeworfen. Wie bereits erwähnt ist dieser Weg stets ein Spiel mit dem Feuer. Mit Thief wagt Eidos diesen Schritt und nimmt sich dem inzwischen 16 Jahre alten Original an, welches bis 2004 noch zwei Nachfolger zu verzeichnen hatte. Der Grund für den Erfolg von "Dark Project" aus dem Jahre 1998, war wohl der guten Installation des neuen Stealth-Action Genres zuzuschreiben. Im Fahrwasser von "Metal Gear Solid" welches im gleichen Jahr erschien, erfreute sich damals "Dark Projekt" einer ähnlichen Beliebtheit, wenn auch nicht mit derselben Nachhaltigkeit.
Die namenlose Stadt
In Thief wirft uns Eidos nun wieder zurück in die namenlose Stadt, die ein wenig an ein altes London des frühen 19. Jahrhunderts erinnert. Allerdings ist diese Stadt noch sehr von seinen mittelalterlichen Wurzeln geprägt, wird aber von der aufkeimenden industriellen Revolution langsam durchzogen. Zwischen alten Ziegelhäusern, finden wir Heizungsrohre. Mal sehen wir Wachen mit Fackeln, dann wieder Deckenlampen mit Lichtschaltern. Kamine und Heizkörper, Zugkarren und Dampfmaschinen. Der Kontrast dieser Stadt ist genauso außergewöhnlich wie das allabendliche Ambiente, dass besonders durch den omnipräsenten Nachthimmel eine fantastische Stimmung erzeugt. Aus den Fenstern leuchten Lichter, in den Seitengassen ist es stockfinster, die Hauptstraßen gut beleuchtet. Manchmal dringen Stimmen aus den Gebäuden, all das macht die wohl größte Stärke dieses Spiels aus. Auch wenn die Grafik die PS4 nicht an ihre Grenzen treibt, ist sie bis auf die bekannt leicht überzogene plastische Darstellung der in die Jahre gekommenen Unreal 3-Engine, durchaus schön anzusehen. Was wohl eher aufstößt ist die Tatsache, das die verhältnismäßig große Stadt in viele kastenartige Viertel geteilt ist, welche beim Betreten eines neuen Abschnitts Ladezeiten nach sich zieht. Hier merkt man leider, dass Thief nicht für die Next Gen konzipiert wurde und somit auch nicht die Rechenpower der PS4 nutzt. Doch das ist leider nicht der einzige Schwachpunkt im technischen Aufbau dieses Spiels. Besonders die gerenderten Zwischensequenzen lassen die Framerate oft dermaßen einbrechen, dass der Zuschauer das Gefühl hat, er schaue ein zu stark komprimiertes Video auf seinem Handy. Auch die Animationen der NPCs, sowie deren Bewegungsabläufe können sich nicht einmal ansatzweise mit einem "The Last of Us" oder "Beyond: Two Souls" messen.Obwohl das Ambiente durchaus zu überzeugen weiß, muss man beim Gelände-Design der Stadt ein wenig die Nase rümpfen. Wie bereits erwähnt, sind die Viertel mit Ladebildschirm-Zonen getrennt, was dem Spiel viel Dynamik nimmt. Auch ist die Bewegungsfreiheit sehr eingeengt. Spiele wie "Assassins Creed", die dem Spieler praktisch eigene Wege überlässt, fehlen hier und so sind die Stellen, an dem man Wände hochklettern kann, oder über Dachkanten springen darf klar vorgezeichnet. Entweder erkennt man dies an Kisten die voller Taubenschiss sind, oder an blau schimmernden Rohren und Gittern. Das ist ärgerlich, denn so etwas nimmt die Freude am Entdecken der so sehr verwinkelten Stadt und häufig fehlt einfach der Zugang zu bestimmten Stellen.
Das Gameplay krankt aber nicht nur am Gelände. Im Bereich der Stealth-Action überrascht uns Thief jetzt nicht wirklich mit revolutionären neuen Innovationen. Nun, zu Beginn der Review sprachen wir über das Thema Reboot und wir müssen wirklich feststellen, dass dieses Spiel sich scheinbar immer noch sehr tief in den 90er Jahren befindet. Betrachten wir den Levelaufbau und das Verhalten der K.I. fühlen wir uns tatsächlich daran erinnert. Die Wege fühlen sich pseudo-schlauchig an. Sie gaukeln einem zwar Bewegungsfreiheit vor, doch in Wirklichkeit müssen wir stets von A nach C über B. Besonders die sich immer wiederholenden Szenen, wie ein Fenster aufhebeln, oder durch Holzbalken zwängen, nerven auf Dauer stark.
Die Wachen und Soldaten kennen imme nur einen festen Weg, verhalten sich ihrer Umwelt gegenüber stets exakt gleich. Mit ein wenig Erfahrung und Beobachtungsgabe sieht der geübte Spieler die Schwachstellen und Pfade des jeweiligen Abschnitts. Die dringend benötigte Langzeitmotivation die dieses Spiel braucht, um nicht sofort aus dem Konsolenschacht zu fliegen, bringt das Einsammeln von Beutestücken und Sammlerobjekten. Zweiteres wird meist als Missionsobjekt oder Teil einer Kollektion benötigt. Alle Objekte bringen dem Spieler Gold ein, mit denen er zwischen den Hauptmissionen Verbesserungen seiner Fähigkeiten und Ausrüstung für Garrett kaufen kann. Das Suchen wird dem Spieler dadurch erleichtert, dass alles was zu Gold gemacht werden kann funkelt und glitzert. Zumindest diverse Sidequests bringen ein wenig Auflockerung in das Geschehen rund um die namenlose Stadt. Hier kann man mit investigativen Einsatz schnell reiche Beute machen.
Der Schatten ist dein Freund, denn hier sehen dich die Soldaten nicht, solange sie nicht gerade direkt vor einem stehen. Haben sie den Protagonisten nur flüchtig gesehen, suchen sie ihre Umgebung ab. Sobald ihre Aufmerksamkeit nachlässt, gehen die Wachen aber wieder ihren gewohnten Weg. Garrett kann mit kurzen Sprints helle Passagen schnell überwinden und mit Wasserpfeilen Lichtquellen löschen. Werden wir dann doch mal von einer Wache ertappt, geht es in einem praktisch nicht vorhandenen Kampfsystem nur darum auf den Gegner einzuprügeln bis er K.O. ist, um ihn dann per finalen Schlag ins Reich der Träume zu schicken. Stehen dem Dieb zwei Wachen gegenüber, wird es schon unfair und es bleibt meist nur die Flucht, um nicht selbst überwältigt zu werden. Ein kleines Gimmick haben sich die Entwickler für die PS4 aber einfallen lassen. Befindet sich Garrett im Schatten leuchtet die LED-Leuchte des Controllers blau. Geht er ins Licht verwandelt sich die Farbe in Weiß. Besonders beindruckend sieht das bei Blitz und Donner aus. Mit jedem Blitz flackert das LED und erzeugt so zusätzlich Atmosphäre.
Ein weiteres starkes Manko in dieser Neuauflage ist die leider sehr belanglos geratene Story. Zu Beginn des Prologs befindet sich der Meisterdieb auf einem Raubzug mit seinem Schützling Erin. Diese etwas übermotivierte Diebin kann wenig mit den moralischen Ansichten Ihres Mentors anfangen und so endet der Coup in einem Desaster, was den Tod von Erin und eine Amnesie bei Garrett nach sich zieht. Mit diesem ziemlich inszenierten und zu sehr arrangierten Intro, steigt das Spiel mit der Rückkehr Garretts in die namenlose Stadt ein, welche inzwischen von einer Seuche namens "Schwermut" gezeichnet ist. Das Volk hat nicht nur unter Krankheit und Hunger zu leiden, sondern auch unter der harten Knute des unbarmherzigen Baron Northcrest. Garrett gerät durch einen Auftrag seines Hehlers an eine Untergrundbewegung, welche vom charismatischen Orion angeführt wird. Ich glaube weiter brauchen wir nicht erzählen, denn jeder kann sich wohl nun den Rest zusammenreimen. Im Prinzip ist die Basis mit der Stadt, der Seuche und dem Ambiente durchaus geschaffen um eine spannende Geschichte zu erzählen, doch leider machen zu viele Klischees und Belanglosigkeiten den Spannungsbogen kaputt. Ab und zu kommen aufgrund des durchaus passenden Scores auch mal sehr spannungsgeladene Momente auf; diese werden aber in der Regel zügig von schlechter Regie und verwirrenden Dialogen kaputtgemacht. Auch die deutsche Lokalisierung kann bis auf die Synchronstimme des Hauptprotagonisten nicht wirklich glänzen.
Wem der Storymodus nicht reicht, dem steht noch ein sogenannter Herausforderungsmodus zur Verfügung. Allerdings klingt das nach mehr als es wirklich ist. Hier verbergen sich ganze drei Spielmodis, wobei zwei sich nur darin unterscheiden, dass einer mit einer Zeitbegrenzung ausgestattet ist, der andere nicht. Ansonsten bleibt nur die Auswahl zwischen: "Sammel so viel wie möglich" und "Sammel so schnell wie möglich". Dies kann dann auf Maps gespielt werden, die bereits in der Kampagne besucht wurden, wobei hier keinerlei Abwechslung herrscht. Jeder Löffel, jede Halskette ist stets am gleichen Ort zu finden. Da ist die Langzeitmotivation auch ziemlich schnell dahin. Wer will kann seine Punktzahlen mit denen seiner Freunde vergleichen und das war es dann auch schon.
Positiv:
- atmosphärisches Setting- keine Grafikreferenz, aber trotzdem schön anzusehen
- der Sammlertrieb wird geweckt
- passender Soundtrack
- viele Optionen um die Schwierigkeit auf verschiedene Art anzupassen
Negativ:
- schwacher Hauptplot
- viele Ladezeiten aufgrund häufiger Abschnittswechsel
- qualitativ schwache Zwischensequenzen
- mangelnde Bewegungsfreiheit beim Erkunden der Areale
- viel zu schnell durchschaubare K.I. die ohne Überraschungsmomente agiert
- praktisch nutzloses Kampfsystem
- lieblose deutsche Lokalisierung (mit Ausnahme des Hauptprotagonisten)
- schmaler Herausforderungsmodus ohne große Abwechslung